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Der diesjährige Fortbildungskurs von S-WIN in Weinfelden gab am 22./23. Oktober einen Überblick über Hochleistungswerkstoffe im Holzbau. Andrea Frangi von der ETH Zürich und Andrea Bernasconi von der heig-vd führten durch die Tagung, die 190 Teilnehmer aus Forschung und Praxis anzog.

Laubholz für Höchstleistungen im Bauwesen

In den letzten Jahren haben Hochleistungswerkstoffe, insbesondere aus Laubholz, ständig an Bedeutung gewonnen. Treiber dieser Entwicklung ist das zunehmende Bedürfnis nach neuen Produkten mit hohen Leistungen (Steifigkeit, Tragfähigkeit), um die Wettbewerbsfähigkeit von Holz gegenüber der Stahl­- und Stahlbetonbauweise zu erhöhen.

Brettschichtholz aus Buche und anderen Laubhölzern
Buche ist zur Produktion von Brettschichtholz (BSH) geeignet und interessant. Forschungsarbeiten geben Festigkeitswerte im Bereich von 41 und 56 N/mm2 als charakteristisch an. Dies setzt voraus, die unter Laborbedingungen durchgeführte Festigkeitssortierung in der Praxis erfolgreich umzusetzen.
Co-Tagungsleiter Andrea Bernasconi erwähnte zudem die Möglichkeit, mit anderen Laubhölzern, so etwa mit Kastanienholz oder Esche und vor allem auch mit Furnierschicht- und -sperrholz aus hochfesten Holzarten (Buche) dem Holzbau neue Horizonte zu erschliessen.

Buche – vom Experiment zum System
Die ersten prototypischen, von der Forschungstätigkeit am Lehrstuhl von Prof. Ernst Gehri (ETH) geförderten Anwendungen von BSH in Buche waren die Dachkonstruktion des Seeparksaals in Arbon (1984) und die ein Jahr später errichtete Dörflibrücke in Eggiwil.
Sie führten zu den aktuellen Entwicklungen, wie etwa im ‹House of Natural Resources› der ETH mit seiner unterspannten, in zwei Richtungen tragenden Buchenholzdecke (2015). Das dafür federführende Institut für Baustatik und Konstruktion IBK der ETH Zürich führt diese Entwicklung weiter und geht mit Erfolg den Weg zur Anwendung hochfester Holzbausysteme im Baualltag.

Wissen teilen zugunsten der Branche
Von der praktisch ausgerichteten Festigkeitssortierung zur Keilzinkung und für flächenverklebte Lamellen aus Buchenholz war am Anlass die Rede, zudem von hochleistungsfähigen und unverzichtbaren Stabdübel- und Schraubenverbindungen und eingeklebten Gewindestangen.
Ingenieur Franz Tschümperlin (SJB Kempter Fitze, Eschenbach) brachte mit klaren Worten auf den Punkt, was künftig zählt: ‹Die Entwicklung vor allem im Bereich Laubholz und der dazu passenden Verbindungsmittel wird voranschreiten und immer neue Möglichkeiten eröffnen. Wir müssen im Gegenzug dafür sorgen, dass wir uns sorgfältig in diesen neuen Gebieten vorarbeiten und dabei vorhandenes Wissen offen teilen, damit wir uns als Branche weiterhin erfolgreich entwickeln können.›

BauBuche positioniert sich im Markt
In Deutschland ist seit Jahren das Produkt BauBuche auf dem Markt erfolgreich. Aus 3 mm starken Furnieren, aus Rundschälen von Buchenstämmen gewonnen, produziert die Firma Pollmeier im thüringischen Creuzberg (D) Schichtholzplatten von hoher Leistungsfähigkeit.
Der bei der Firma für Forschung + Entwicklung zuständige Ingenieur Markus Enders-Comberg zeigte zwei Referenzobjekte, das Schraubenwerk Gaisbach und ein Flächenlager in Creuzburg, und informierte über Forschungen zu Schutzmassnahmen gegen Witterungseinflüsse während der Bauphase.

Schweizer Buche valorisieren
Aber auch in der Schweiz hat man sich auf die Buche besonnen, die als zweithäufigster Baum im hiesigen Wald Besseres verdient, als in Massen im Ofen zu landen. Die 2014 aus Waldbesitzer-Organisationen hervorgegangene Firma ‹Fagus Suisse› aus Le Breuleux (JU) ist daran, Produkte für das Bauwesen aus Buche zu entwickeln und im Markt zu etablieren.
Ab Ende 2019 wird ein automatisiertes Produktionszentrum für Konstruktions-Leimholz aus Buche und anderen Laubhölzern in Betrieb gehen, wie der für das Fagus-Marketing zuständige Stefan Vögtli berichtete. Erste Realisierungen sind eindrücklich, so etwa ein siebengeschossiges Verwaltungsgebäude des Bundes in Ittigen bei Bern.

Forschung als Treiber
Zentral für die Etablierung von Buchen-BSH als Bauprodukt am Markt sind zuverlässige und garantierte Materialeigenschaften sowie Bemessungsangaben für den Planer. Dies stellte René Steiger (Empa, Dübendorf) fest. Ein Forschungsprojekt stellt nun Grundlagen für eine hochwertige stoffliche Verwertung von Buchenholz für Bauzwecke bereit. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit von Holz in hochbeanspruchten Tragwerken.

Über das Projekt informierten ferner Thomas Ehrhart (IBK ETH, Zürich) und Martin Lehmann (BFH-AHB, Biel). Es geht um Angaben über Eigenschaftswerte, Bemessungsgrundlagen und zu Anforderungen an die Sicherung und Kontrolle der Qualität, welche die technischen Rahmenbedingungen zur Produktion und für den baulichen Einsatz von Buchen-BSH (Festigkeitsklassen GL40, GL48 und evtl. GL55) schaffen. Die damit möglichen qualitätsgesicherten Bauprodukte sind Biegeträger und Stützen der Nutzungsklasse 1.


Vom Labor in die Praxis
Wesentliche Grundlagen stammen aus der Festigkeitssortierung in T-Klassen (Sortierung nach der Zugfestigkeit); Keilzinkung von Buchenbrettern zu Lamellen und deren Flächenverklebung; Ermitteln der mechanischen Eigenschaften (Biege- und Schubfestigkeit, Druck- und Zugfestigkeit parallel zur Faser); Festlegen von kennzeichnenden Eigenschaften und Bemessungswerten für BSH aus Buche; Festlegen der zur Bemessung von Biegeträgern und -stützen aus Buchen-BSH notwendigen Angaben z.B. bezüglich Knicken, Biegung und Schub.

Die erarbeiteten Ergebnisse sollen in die Normierung einfliessen. Die Lignum wird dazu eine Dokumentation in der technischen Reihe Lignatec publizieren, und die Mitarbeit an einer europäischen Produktnorm ist geplant.

Hochfestes Holz – einmalig für modernes Bauen
Noch vor wenigen Jahren waren Geschossbauten aus und mit Holz von vier bis sechs Stockwerken das Mass der Dinge. Mittlerweile gelten andere Massstäbe, so etwa in Rotkreuz, derzeit ein Hotspot für das Bauen mit Holz. Dort wurde im Baufeld 1 der ‹Suurstoffi› ein 14 Stockwerke hohes Gebäude in Hybridbauweise unter Einsatz von hochfestem Brettschichtholz realisiert: das Hochhaus ‹Arbo›. Damit ist der Baustoff Holz auch in der Schweiz definitiv in der Liga des Hochhausbaus angekommen, und die Anwendung von Bauteilen aus hochfestem Laubholz spielt dabei klar eine tragende Rolle.

Holz insgesamt und speziell moderne Laubholzprodukte warten nicht mit Lösungen für sämtliche Probleme auf – so wenig wie alle andern Baustoffgruppen. Aber als nachwachsender Baustoff mit ausgezeichneter technischer Leistung und gleichzeitig überzeugenden ‹weichen› Eigenschaften – nachwachsend, angenehme Anmutung, rezyklierbar – hat Holz mehr als bloss in technischer Hinsicht positiv besetzte Eigenheiten aufzuweisen, die auf dem Baumarkt zu einer einzigartigen Ausgangslage führen.

Der Tagungsband ‹Hochleistungswerkstoffe im Holzbau› zum S-WIN-Fortbildungskurs 2019 (172 Seiten mit 19 Beiträgen zum Thema) kann bei Lignum in Zürich online bestellt werden (CHF 80.– für Nichtmitglieder S-WIN, CHF 64.– für S-WIN-Mitglieder).

Text: www.lignum.ch
Links www.s-win.ch | Tagungsband im Lignum-Shop

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